Von der Brache zum Biotop

Neue Lebensräume in steilen Reblagen


Pilotprojekt zur Gestaltung aufgegebener Rebflächen.

Ein Beitrag zum Biotopverbund in trocken-heißen Lagen. 


 

Blick auf die trocken-heiße Steillage

am Bienenbuckel in Oberachern 

Verwendung von Regio-Saatgutmit gesicherter Herkunft

(VWW-Siegel) Expertise-HS Geisenheim

(© HS Geisenheim)


Die leise Revolution im Weinbau

In vielen Weinanbaugebieten fallen Rebparzellen in den steilen Lagen in zunehmenden Ausmaße brach, weil die Bewirtschaftung der einzelnen Parzellen für Pächter und Eigentümer unrentabel geworden ist.

  • Versuchsfläche mit ca. 3,7 Ar am Bienenbuckel in Oberachern
  • Blick auf die trocken-heiße Steillage am Bienenbuckel in Oberachern
  • Unser Projekt „Von der Brache zu einem Trittstein-Biotop“ entwickelt einen neuen Lebensraum in steilen Reblagen. Es dient dem Artenschutz durch den Erhalt und die Entwicklung der besonderen Lebensgemeinschaften trocken-heißer Biotope.
  • Das Projekt kann sich zu einem vorbildhaften Mosaikstein zur Umsetzung der Ziele von Rio entwickeln und ist eine Anpassungsmaßnahme an die Klimaerhitzung.

 

 

 

 

 1 Hintergründe 

Im Bereich der Winzergenossenschaft Sasbachwalden („Alde Gott“) fallen in zunehmendem Ausmaß Rebparzellen in den Steillagen brach. Es handelt sich meist um Pachtflächen, deren Bearbeitung für die Pächter nicht mehr rentabel bzw. nicht mehr zu leisten ist. Wegen der schwierigen Topografie ist der Maschineneinsatz gefährlich und finanziell aufwendig, die Mindestlohnvorgaben machen den Einsatz von Erntearbeitern (zu) teuer usw. Diese Entwicklung vollzieht sich in vielen anderen Weinbaugebieten mit Steillagen im ganzen Land. 

 

Viele Eigentümer wollen die nicht mehr zu verpachtenden Parzellen möglichst absto-ßen, die Anbaurechte verfallen unwiderruflich nach fünf bis sieben Jahren, damit fallen aufgegebene Rebparzellen dauerhaft aus der Nutzung und verbrachen.

 

Gleichwohl bleibt der Eigentümer / die Eigentümerin der Flächen in der Pflegepflicht, um nachteilige Auswirkungen auf bewirtschaftete Nachbargrundstücke zu vermeiden. Kommunen drohen Ordnungsstrafen zu verhängen, falls der Pflegepflicht nicht nach-gekommen wird. Das kann für die Erhaltung einer Kulturlandschaft keine nachhaltige Option sein, denn es ist damit zu rechnen, dass eine erzwungene einmalige „Pflege“ im Jahr mit minimalem Einsatz erfolgen wird (Mulchen), der zu einer monotonen Vergrasung der ehemaligen Rebflächen führt. 

Vor diesem Hintergrund sucht der NABU nach Möglichkeiten, derartiges „Ödland“ durch eine gezielte Umgestaltung in Flächen mit hoher Lebensraumqualität umzu-wandeln. In den trocken-heißen Lagen können durch die Auswahl des passenden Saat- und Pflanzguts vielfältige Biotope eines extremen Anspruchstyps entstehen: Steillagen in Sonnenexposition. 

 

Da die Verbrachung der Steillagen nicht nur ein Problem in den mittelbadischen An-baugebieten darstellt, hat dieses Projekt Pilotcharakter: Die hier gewonnenen Erfahrungen können in ähnlich gelagerten Fällen anderer Anbaugebiete als Vorbild und Erfahrungsquelle dienen. 

 

Es kommt hinzu, dass die Brachen sich flickenartig über einen weiten Landschaftsraum verteilen. Die Umgestaltung mehrerer bis vieler solcher Brachen ermöglicht es den besonderen Lebensgemeinschaften trocken-heißer Biotope ein Netz von Lebens-räumen zu besiedeln (Biotopverbund). 

 

Der vom Land Baden-Württemberg herausgegebene „Fachplan landesweiter Biotopver-bund“ (LUBW, 2014) hat auch für die trocken-heißen Bereiche der badischen Rebgebiete ein Szenario berechnet, das geeignete Flächen für die Biotopanlage skizziert. Abb.1 zeigt hierzu einen Ausschnitt mit Kernflächen, Kernräumen und dazwischenliegenden Verbundbereichen (Suchräume) für die Anlage und Sicherung solcher Lebensräume. 

 

 

 

Schließlich wird ein Management der neuen Lebensräume erprobt, das kostengünstig und dauerhaft eine Funktionszuweisung sichert, nämlich die Erhaltung von vitalen Lebensgemeinschaften in extremen Biotopen. Dies ist ein Beitrag zur Förderung der Biodiversität, beispielsweise der stark bedrohten Insektenwelt. 

Die weltweite Gefährdung der Biodiversität führte 1992 zur UN-Konvention zum Schutz der biologischen Vielfalt (CBD: Convention on Biological Diversity). Das Projekt kann sich vorbildhaft zum Mosaikstein zu deren Umsetzung entwickeln. 

 

Die Abbildungen 2 und 3 zeigen Beispiele für Rebbrachen aus verschiedenen Land-schaftsräumen. Sie illustrieren den enormen Bedarf zur Entwicklung von Konzepten für das künftige Management dieser aus der Nutzung gefallenen Flächen. 

 

 

2 Versuchsfläche, Eigentumsverhältnisse 

 

Die in Abb. 3 gezeigte Fläche am Bienenbuckel bei Oberachern wurde als Projektfläche identifiziert, weil sie einerseits die typische Charakteristik steiler Rebbrachen zeigt, andererseits aufgrund ihrer Größe (ca. 37 Ar, also 3.700 m2) Raum für eine vielfältige Gestaltung ermöglicht (Abb. 4 und 5). Die Fläche besteht aus mehreren Flurstücken, für die zum größten Teil eine Verkaufsbereitschaft seitens der Eigentümer bzw. Eigen-tümerinnen besteht. An dieser Fläche zeigt sich die besondere Herausforderung der Flächengestaltung und des Flächenmanagements insgesamt, da teilweise Maßnahmen getroffen werden mussten, um Bodenrutschungen bzw. Auswaschungen zu verhindern bzw. zu minimieren (Abb. 6 und 7). Diese Thematik ist in den Steillagen überall präsent und erfordert Konzepte zur flächendeckenden Erosionsvermeidung. 

 

3 Methodik 

 

Um sicherzustellen, dass Einsaaten und Pflanzungen der biologischen Vielfalt und dem Biotopverbund dienen, den besonderen Bedingungen der steilen Lage (Erosionsvermei-dung) gerecht werden und ein Management ermöglichen, dass mit minimalem Pflege-aufwand zu leisten ist, wird eine sorgfältige Planung erforderlich. 

 

Das schließt unbedingt die Einholung von Expertise mit ein, die auf vergleichbaren Flächen erworben wurde. Es wurden bereits Informationen von Produzenten geeigneten Saatguts eingeholt (Fa. Rieger-Hofmann, Blaufelden), Kontakte mit der Hochschule Geisenheim (Projekt zur Rebflächenbegrünung in Steillagen in Rheinland-Pfalz) und mit einem regionalen Landschaftsbaubetrieb mit Erfahrungen im Steillagenbau sowie mit der Anbauberatung der Winzergenossenschaft aufgenommen. 

Aus diesen Recherchen haben sich für den Projektstart unter anderem folgende Eck-punkte ergeben, die im Laufe der konkreten Umsetzung weiter zu entwickeln sind: 

  • Definition von Saat- und Pflanzgut für die extremen Anforderungen der Steil-lagen (Hohe Hitze- und Trockenheitstoleranz) bei gleichzeitig hoher Qualität für die Biodiversität (Vielfältiges Blütenangebot auch für Insekten mit beson-deren Ansprüchen); 
  • Schutz des Bodens vor Erosion durch Pflanzung von stabilisierenden Gehölzen und den Einbau von Steinbarrieren; 
  • Schaffung von Habitatstrukturen für Insekten, Reptilien und Vögel (Totholz-strukturen, Steinriegel); 
  • Schaffung einer strukturreichen Vegetation zur Formung von kontinuierli-chen Übergängen zwischen Wiesen, Säumen und Gehölzen (Ökotone). 

 

 

Abb. 8 zeigt einen Bereich der Brache, in dem heute große Granitbrocken liegen. Dieser Bereich könnte im Zuge der Flächengestaltung als Ausgang für die Anlage eines durch-gehenden, den Hang querenden Steinriegels genutzt werden. In Abb. 9 ist eine hitzeto-lerante Blühmischung des Anbieters Rieger-Hofmann wiedergegeben. Dieser Produzent ist unter dem VWW-Siegel zertifiziert, das die nachvollziehbare Herkunft der Pflanzen sicherstellt (Verband deutscher Wildsamen- und Wildpflanzenproduzenten e.V.). 

 

Die Verwendung von Wildpflanzen aus Regio-Saatgut mit gesicherter Herkunft (VWW-Siegel) ist zur Förderung der biologischen Vielfalt aus mehreren Gründen erforderlich: 

  • Wildpflanzen stellen die bestmögliche Nahrungsgrundlage für Insekten dar und wir-ken somit dem Insektenschwund entgegen; 
  • Sicherstellung einer genetisch größtmöglichen Anpassung an den Naturraum der neuen Ausbringung; 
  • Da die Pflanzen aus Herkunftsgebieten stammen, die dem neuen Standort ähneln oder gar entsprechen, verfügen sie über eine hohe Wuchs- und Widerstandskraft.